Tuesday, December 06, 2005

Frechheit!

gegen geheimdienstliche mittel ist ja auch nichts einzuwenden. beschattung im ausland, abhören von telefonen etc im verdachtsfall nach anordnung durch die justiz, doch seit wann gehören verschleppen und foltern zu geheimdienstlichen mitteln (v.a. bei der durchaus gegebenen gefahr, den falschen zu erwischen)? gibt es eigentlich eine untersuchung die die wirksamkeit von folter belegt? ich kann mir vorstellen, daß geschickte psychologische befragung viel wirksamer ist.

Grundsätzlich verteidigte Volmer aber die Arbeit von Geheimdiensten. Der Kampf gegen den internationalen Terrorismus müsse 'auch mit geheimdienstlichen Mitteln geführt werden'. (Link)



9 comments:

scrooligan said...

Das finde ich jetzt ein bisschen unethisch. Also nicht die Folterungen, die fand ich vorher schon unethisch, sondern hier den Herrn Vollmer zu nennen. Das erweckt den Eindruck, der Herr Vollmer stünde im Zusammenhang mit 'verschleppen und foltern', wofür Du dann aber den Beweis schuldig bleibst.

scrooligan said...

Ach so, zur Sache noch was: Ich nehme an, die Inquisition hat ihre Feldversuche penibel dokumentiert. Falls Du Latein kannst, sollte es da auch Akteneinsicht geben. Die waren letztendlich aber nicht so begeistert von den Erfolgen.
Ansonsten gibt es - abgesehen von moralischen Grundsätzen - immer das Problem, dass der Gefolterte beliebiges zugeben kann, damit man aufhört, ihn zu misshandeln. Damit solche Aussagen trotzdem verwertbar sind, muss man als Folterer also schon genug wissen, um beurteilen zu können, was der Delinquent da sagt. In seltenen Einzelfällen kann das also durchaus zielführend sein.:-/

Die Verschleppung kann man doch sogar positiv werten: Abgesehen von irgendwelchen verrückten frankfurter Polizeipräsidenten gibt es hier wohl nicht genug williges Personal für solche Praktiken.

Bhaskar said...

vielleicht war das mit dem herrn volmer ein wenig ungeschickt, denn ich kenne den kontext, in dem er diese äußerungen getätigt hat nicht. und da man bei journalisten immer hinterfragen muß, ob sie den kontext richtig wiedergeben... war das evt ein wenig vorschnell.

der ganze absatz lautete:

"Volmer, der bis 2002 Staatsminister im Auswärtigen Amt war, beklagte die schlechte Informationspolitik der USA in der Irak-Politik. Man habe von Beginn an das Problem gehabt, dass die Amerikaner die Deutschen nur dann informiert hätten, wenn sie sie gebraucht hätten. Grundsätzlich verteidigte Volmer aber die Arbeit von Geheimdiensten. Der Kampf gegen den internationalen Terrorismus müsse "auch mit geheimdienstlichen Mitteln geführt werden"."

man könnte durchaus den eindruck bekommen, daß der herr vollmer diese vorgänge nicht so schlimm findet. also einen tadel an spon, wenn sie seine äußerungen instrumentalisiert haben und ich darauf reingefallen bin, wenn er es so gemeint hat, dann einen tadel an ihn. meinen habe ich ja schon bekommen und eingesehen.

was den einfwurf von malachit angeht. ich denke schon, daß die entsprechenden geheimdienste zumindest erfahrungswissen haben, was die wirksamkeit von folter angeht. entspricht jetzt vielleicht den höchsten wissenschaftlichen ansprüchen, allerdings wäre eine solche versuchsreihe auch mehr als zynisch. die frage ist also, hat jemand mal was darüber gelesen?

daran anschließend sofort die nächste frage: wenn die wirksamkeit von folter umstritten ist und diese erfahrungen in der ausbildung weitergegeben werden, wenn also bekannt ist, daß andere verhörmethoden wirksamer sind, wieso gibt es dann politischen druck folter anzuwenden? bzw. folterähnliche methoden zu genehmigen und anzuwenden, das ganze aber nicht folter zu nennen, um zumindest den schein zu wahren eine folterfreie nation zu sein und ein wenig glaubwürdigkeit zu behalten, wenn gegen menschenrechtsverletzungen in anderen nationen protestiert wird.

scrooligan said...

Naja, der Herr Vollmer sagt, er fände es in Ordnung mit geheimdienstlichen Methoden gegen Terroristen vorzugehen. Herrje, dafür sind Geheimdienste da. Ich fand den SpON-Artikel auch schon zu prätentiös, denn wenn man sich die wörtlichen Zitate von Vollmer ansieht und dann den sonstigen Artikeltext dazu nimmt, passt das nicht recht zusammen. Vermutlich ist Vollmer einfach einer der wenigen gewesen, die sich dazu geäußert haben.

Zu Malachit:
Entführung und anschließende Verhöre fallen, glaube ich, nicht unter Folter. Da sind schon vorher ein paar andere Rechte verletzt worden, die das abdecken. Das fängt schon mit Freiheitsberaubung an, da muss man die UN gar nicht bemühen - das ist Sache der Staatsanwaltschaft.

Zur Wirksamkeit von Folter:
Folter ist nicht unwirksam. Man bekommt Informationen, von denen einige sicher auch richtig sind. Foltert man also und verhaftet z.B. die angeblichen Mittäter, erwischt man zwar ein paar Unschuldige - aber Schuldige sind auch darunter. Wenn man also genug Personal und zu wenige Skrupel hat, kann man einfach allen Spuren nachgehen, die offensichtlich falschen ignorieren und so zu Ergebnissen kommen.
Folter ist relativ bequem für den Folternden. Druck von oben, Druck von der Gegenseite. Da kann man sich abreagieren und mit den Ergebnissen gleich seine patriotische Gesinnung vorweisen.

Folter ist nicht verboten, weil sie unwirksam ist, sondern weil mehr Menschen (eben auch Unschuldige) zuviel (selbst die schuldigen Menschen) leiden müssen. Wenn - um noch kurz auf Malachits moralische Frage einzugehen - ein Mensch kaum etwas 'wert' ist, schadet Folter nicht besonders. Die 'Verluste' für die Gesellschaft sind gering.
Unsere hiesige Gesellschaft sieht als höchsten Wert aber die Würde des Menschen an, verleiht ihm gewisse Rechte und schützt seine 'Werte' (Leben, Familie, Kunst, Religion etc. pp.) Menschen sind hier eben nicht 'unwert', sondern - so zumindest der im Grundgesetz verankerte Grundgedanke - 'wertvoll'. So wertvoll, dass Menschen unabhängig von irgendwelchen Eigenschaften, eben als Menschen, geschützt werden müssen, um sich frei entfalten und ein Leben außerhalb von Angst und Elend ('ein demokratischer und sozialer Bundesstaat', Art. 20(1)GG) führen zu können. Das ist nicht selbstverständlich, wie ein Blick in die Welt zeigt, und es ist, wie politische Diskussionen hin und wieder zeigen, nicht endgültig gesichert. Aber jeder Angriff auf diese Ordnung, sei es nun die potentielle Mittäterschäft der Bundesregierung bei Folterungen oder die illegale Beobachtung von Journalisten durch den BND, beschädigt diesen Raum von Freiheit und mit jedem Menschen, dessen Rechte missachtet werden, wird jeder von uns geschädigt, denn diese Rechte sind nur soviel wert, wie sie den Schutzbedürftigsten unter uns schützen. *schnief*

Bhaskar said...

geht jetzt zwar nicht direkt auf meine frage mit der politischen motivation ein, ist aber auch nicht ganz uninteressant, was du da ansprichst. ist das nicht auch das thema das hannah arendt bearbeitet hat?

ich denke, wenn eine gesellschaft anfängt, folter als notwendiges übel z.b. im kampf gegen den terrorismus zu akzeptieren, verliert sie ihre menschlichkeit, die ausrede, wir müssen uns gegen die terroristen wehren sonst gewinnen sie, ist mehr als zynisch. eine humane gesellschaft, hält sich an die von ihr beschlossenen gesetze um gegen unrecht vorzugehen. end of argument. alle weiteren konsequenzen sind der preis der freiheit. aber das sind sätze, die in einem beheizten raum ohne jegliche sorgen um die eigene sicherheit oder die sicherheit von nahestehenden personen geschrieben wurden, sind also mit vorsicht zu genießen, im fall der fälle kann sich eine solche einstellung noch ändern.

@scrooligan: "Aber jeder Angriff auf diese Ordnung, sei es nun die potentielle Mittäterschäft der Bundesregierung bei Folterungen oder die illegale Beobachtung von Journalisten durch den BND, beschädigt diesen Raum von Freiheit und mit jedem Menschen, dessen Rechte missachtet werden, wird jeder von uns geschädigt, denn diese Rechte sind nur soviel wert, wie sie den Schutzbedürftigsten unter uns schützen. *schnief*"
das hast du schön gesagt.

scrooligan said...

Bhaskar:
"eine humane gesellschaft, hält sich an die von ihr beschlossenen gesetze um gegen unrecht vorzugehen. end of argument. alle weiteren konsequenzen sind der preis der freiheit."

Sehe ich genau so.

Bhaskar:
"aber das sind sätze, die in einem beheizten raum ohne jegliche sorgen um die eigene sicherheit oder die sicherheit von nahestehenden personen geschrieben wurden"

Der U.S.-amerikanische Präsident sitzt auch in einem beheizten Raum, das dortige Parlament auch. Und wenn sie vier Jahre nach dem Anschlag auf das WTC immer noch in so panischer Angst sind, dass sie meinen alles zu Brei schlagen zu müssen, gehören die zum Arzt.

Zu Malachit:
Läuft die Frage nach einer nicht-politischen Motivation von Folter dann darauf hinaus, zu sagen, 'Wir Amerikaner sind die Guten, also sind alle unsere Handlungen gut'?
Oder achten die ihre Gesellschaft (moralische Heimat) so sehr, dass sie meinen, sich von Bedrohungen oder Abweichlern radikal abgrenzen zu müssen, um diese homogene Werte-Gesellschaft zu schützen?

scrooligan said...

Um mal zu Pauschalisieren: Könnte in den USA als Einwanderungsland nicht eine Selbstselektion der Einwanderenden stattfinden? Oder die dort herrschende Ideologie der protestantischen Arbeitsethik (Benjamin Franklin et al) dafür sorgen, dass nur von sich sehr überzeugte an die Schaltstellen gelangen?
Dafür gibt's wahrscheinlich keine empirischen Beweise. Ich frage mal Micha, der ist doch Amerikanist, ob er dazu was schreiben kann.

Über die moralische Bereitschaft zur Folter habe ich nun lange nachgedacht, aber einig bin ich mir immer noch nicht.

1. Manche Menschen sind anfällig für Ideologien, die ihnen die Last des Lebens erleichtern und moralische Entscheidungen abnehmen. Mit GWB sind die Evangelikalen erstmals bis zur Präsidentschaft vorgedrungen (sonst waren die Präsidenten eher rein machtpolitisch denkende Menschen oder wie Reagan konservativ-antikommunistisch (Kommunisten waren aber gleichwertige Gegner)). Die Gemeinsame Autorität von Präsidentschaft und Religion vermittelt vielen, der vorgegebene Weg sei moralisch integer und heilstiftend.
Bsp: Hexenverfolgung, Minderheitenverfolgung in der UdSSR.

2. Äußere Bedrohung und inneres Zusammenrücken unter Gemeinsamkeiten, Entmenschlichung der Bedroher und dann Folter als legitimer Akt der Selbstverteidigung gemeinsamer Werte gegenüber dem bösen anderen. Paradox, aber schon passiert.
Bsp: Judenverfolgung im dritten Reich, US-Kommunistenverfolgung in den 50ern.

Die derzeitge U.S.-amerikanische Regierung und Gesellschaft hat von beidem etwas: ein mächtiges, mit Autorität und geradezu monarchischem Ansehen ausgestattetes Präsidentenamt, eine allgemeine Volksreligiösität (genauer einer ziemlich Sinn entkleideten Christlichkeit: nur wenige üben sich in Nachbarschaftshilfe etc., aber jeder erkennt die Autorität Gottes an (Hint: Gottesbeleidigung ist eine sehr wirksame Provokation dort)). Dazu die Abgrenzung wir (Christlich-westlich) vs. die (islamistisch-arabisch) und die erzeugte Angst immerwährender Bedrohung (z.B. durch dauernde Warnungen, Polizeipräsenz, dauernde Verhaftung angeblicher Vizetopterroristen).

... Aber die Anfälligkeit der Menschen erklärt das eigentlich nicht. Die muss man vielleicht als gegeben voraussetzen. Der von Malachit angeführte Artikel wäre mal ganz interessant.

Bhaskar said...

bei welchem beitrag von statler und waldorf hast du denn kommentiert? zu faul zum suchen...

scrooligan said...

Bart:
'ich glaube (und das mit inbrunst), dass ein rechtsstaat sich entscheiden muss: entweder folter oder keine.'

Ich glaube - ebenfalls inbrünstig -, dass diese Entscheidung eine einen Rechtsstaat konstituierende ist.
Bestimmte Rechtsprinzipien (hier die Verhältnismäßigkeitund ein Grundrechtekatalog als Abwehrmaßnahme gegen den Staat) bedingen IMHO ein Folterverbot.

Ansonsten übersieht Statler in der Tat, dass die Androhung von Folter entweder schnell als Lüge entlarvt wird oder das eigene Rechtsverständnis in Mitleidenschaft zieht, da die eigene Bevölkerung dann ebenfalls an Folter glaubt, ebenso wie die Nachwuchspolitiker, dann bald das Parlament und dann steht es im Gesetz. Was für ein Mumpitz.

Und nebenbei versteht Statler den Begriff neoliberal nicht. Das ist ein Kampfbegriff aus dem Umfeld der Freiburger Schule (Ökonomen), die eine gemeinsame Basis zur Abwehr eines totalitären Sozialismus gesucht haben. Damit die Androhung von Folter zu beschreiben ist nicht nur unverschämt, es beleidigt alle liberal denkenden Menschen.